Pressemitteilung

Kirche Jesu Christi macht große Fortschritte bei der Bewahrung von Familiengeschichten aus Afrika

Die Aufzeichnung mündlicher Berichte – ein Wettlauf mit der Zeit

Genealogen erleben derzeit in Schwarzafrika einen Wettlauf mit der Zeit. Betroffen ist ein Gebiet, das 36 Staaten umfasst. Die mündlichen Berichte über afrikanische Abstammungslinien müssen dringend gesammelt werden, weil diejenigen, die über die jeweilige Familiengeschichte Bescheid wissen, immer älter werden. Manche sterben, bevor etwas aufgezeichnet werden kann. 

Dr. Osei-Agyemang Bonsu, Gebietsleiter von FamilySearch International, setzt alles daran, Familiengeschichten aus Schwarzafrika zu retten. In den letzten fünf Jahren hat er zusammen mit einer Reihe freier Mitarbeiter alles aufgezeichnet, was ihm die betagten Hüter dieser Geschichten, die er „Informanten“ nennt, mitgeteilt haben. Auch hat er Fotos von ihnen gemacht. 

Irgendwann wird man die Ergebnisse dieser Arbeit kostenlos auf FamilySearch.org begutachten können. „In jeder Familie gibt es jemanden, der die Geschichte dieser Familie kennt, und man muss wissen, wer das ist“, erklärt Bonsu in einem über Skype geführten Interview aus Ghana. „Schnell stirbt jemand und nimmt all diese Informationen mit ins Grab.“ 

Schriftliche Unterlagen sind für viele Afrikaner erst 1949 mit der Einführung von Musterungslisten angelegt worden, und auch deren Qualität verschlechtert sich laut Bonsu immer massiver. „Sie werden nicht gut geführt und das Papier ist schlecht. So gehen viele davon schnell verloren“, meint er. Bonsu hat schon an der Digitalisierung historischer Unterlagen in Ghana, der Elfenbeinküste, Liberia, Südafrika und Simbabwe mitgewirkt. Seine Mitarbeiter werden sich dieses Jahr Unterlagen aus Nigeria zuwenden, erklärt er. 

„Jeden Tag verlieren wir wichtige Angaben, und das macht mir Sorgen.“ Bonsu sprach am 6. Februar 2014 bei der RootsTech-Konferenz in Salt Lake City über die Herausforderungen, die sich jedem stellen, der Vorfahren in Afrika finden will. 

„Für mich ist die Namensvergabe das größte Problem“, meint Bonsu. „In manchen Stämmen gibt es ausschließlich Nachnamen.“ Manche haben mehrere Namen oder wählen einen, wenn jemand Christ ist. „Man kann jederzeit einen Namen fallenlassen und einen anderen aufnehmen, was die Sache sehr erschwert“, erklärt er. Wenn eine Afrikanerin heiratet, muss sie den Namen ihres Mannes nicht eintragen lassen. 

Bonsu erzählt, wie er und seine Mitarbeiter sich einmal drei Tage lang von einem 86-jährigen Informanten die Familiengeschichten aus dessen Dorf berichten ließen. Als sie am vierten Tag zurückkehrten, um sich zu bedanken, ehe sie zu einem weiteren Dorf aufbrachen, erfuhren sie, dass er gestorben war. „Wären wir drei Tage später aufgetaucht, wären all diese Informationen verloren gewesen.“ Bei der Beerdigung übergaben sie der Familie eine Kopie ihrer Geschichte. „Es war das großartigste Geschenk, das sie je bekommen hatten, und sie waren überglücklich.“ 

Früher hat sich die Jugend um die Informanten versammelt und mit ihnen über die Familiengeschichte gesprochen, aber heute zieht es alle in die Stadt, sagt Bonsu, und sie verlassen ihre Dörfer. „Die Armut treibt viele junge Männer in die Stadt.“ 

Bonsu zufolge ist schon eine ganze Reihe freie Mitarbeiter damit beschäftigt, die mündlichen Berichte mit Tonaufnahmegeräten oder Digitalkameras aufzuzeichnen, aber um schneller voranzukommen, wären noch mehr erforderlich. Die Mehrheit dieser Mitarbeiter gehört nicht der Kirche an, aber „sie machen es gern und freuen sich, mit von der Partie zu sein“. 

Bonsu nimmt an, das bislang 10.000 mündliche Berichte aufgezeichnet wurden. Er hofft, dass sich noch andere Organisationen dem Projekt anschließen, damit in den nächsten fünf Jahren mindestens 50.000 weitere Interviews durchgeführt werden können. Am Ende soll ein Großteil des Kontinents abgedeckt werden. 

„Die von uns Befragten sind alle froh und glücklich“, sagt Bonsu. „Es ist eine Sache, nur die Geschichte vorliegen zu haben, aber etwas ganz anderes, wenn man auch Fotos von den Leuten hat, mit denen man gesprochen hat. Das ist ein himmelweiter Unterschied.“ 

Manche Familien in Afrika geben ihre Geschichte auch über einen Stammbaum weiter oder zeichnen Bilder, um ihre Abstammung festzuhalten. „Heute ist der Tag, an dem wir uns die Mühe machen müssen, all diese Informationen einzuholen – nicht morgen, nicht übermorgen, nein, heute. Und wir hoffen, dass wir dafür jede erdenkliche Unterstützung bekommen.“ 

Die Ahnenforschung kann sehr schwierig sein, wenn jemand in seinem Stammbaum Vorfahren afrikanischer Abstammung hat – insbesondere, wenn diese in die USA versklavt wurden. Die meisten Sklaven aus Afrika sind dort schon vor 1800 angekommen. Die Verbindung zu den Familien, die in den Dörfern zurückblieben, wurde dabei buchstäblich gekappt. 

Der jähe Bruch in der Abstammungslinie macht es Amerikanern afrikanischer Herkunft fast unmöglich, Vorfahren in Afrika aufzuspüren, erklärt Jim Ison, ein Gebietsleiter von FamilySearch aus Ohio. „Wenn die mündliche Überlieferung nicht fehlerfrei weitergetragen wurde, hat man als Afroamerikaner ein Problem.“ 

Viele Afroamerikaner wurden erst ab 1870 in Volkszählungsunterlagen erfasst. „Je weiter man vordringt in die Zeit vor der Emanzipationserklärung, desto schwieriger wird es“, bestätigt Ison. Die Emanzipationserklärung, mit der die Sklaverei in den USA abgeschafft wurde, wurde 1863 von Präsident Lincoln in Kraft gesetzt. 

Aus den Unterlagen der Freigelassenen gehen laut Isom nur wenige Angaben hervor. „Es ist großartig, wenn einer davon Bankkunde war, aber das waren nicht viele.“ Berichte über die Versklavten können hilfreich sein, so Ison. „Wenn sich feststellen lässt, wer der Sklavenhalter war, kann man in dessen Familie zu suchen anfangen.“ 

Die Freundinnen Elon Cook, Tamu Smith und Zandra Vranes wollen mit FamilySearch ihre afrikanischen Wurzeln erforschen. Sie haben an der RootsTech-Konferenz in Salt Lake City teilgenommen. 

Cook hat ihre Vorfahren afrikanischer Abstammung bis ins späte 18. Jahrhundert zurückverfolgt und würde gerne Leute kennenlernen, mit denen sie gemeinsame Vorfahren hat. „Es ist immer wieder eine wirklich tolle Erfahrung. Man fängt normalerweise mit einem Dokument an, das man im Internet findet, und begibt sich dann damit in die reale Welt“, sagt sie. 

Smith konnte online eine Sklavenliste ausfindig machen, auf der ihre Ururgroßmutter aufgeführt war. „Da geht schon etwas in einem vor, wenn man einen Angehörigen entdeckt, sich diese Liste anschaut, das Alter liest und sieht, wer bei ihm war. In mir hat das etwas ausgelöst. Mit diesen Gefühlen hatte ich nicht gerechnet“, sagt Smith. 

Vranes hat einen mündlichen Bericht von ihrer Großmutter aufgenommen. „Mir geht es nicht um eine Menge Daten, eine Menge Unterlagen, Fotos oder so etwas. Ich möchte einfach diese Geschichten erfahren und sie weiterverfolgen“, meint sie. 

NaDine Timothy von FamilySearch in Salt Lake City hilft schon seit über 30 Jahren denjenigen, die ihre Wurzeln erforschen, und beobachtet die Hochkonjunktur, die in der Familienforschung eingesetzt hat, seit das Internet mehr und mehr Möglichkeiten bietet. 

Timothy zufolge haben viele Afroamerikaner die Zeit der Sklaverei probeweise mit „zwei oder drei Nachnamen“ durchsucht und sind doch auf lückenhafte Angaben gestoßen, was die Forschung sehr erschweren kann. Oft erhielten Mitglieder derselben Familie unterschiedliche Nachnamen, erklärt Ison. 

Timothy sieht eine der größten Schwierigkeiten für Nachfahren von Afrikanern oder anderen Völkern darin, erst einmal anzufangen. „Für viele ist die Vergangenheit oft schmerzlich, wenn sie mit Sklaverei oder Vertreibung konfrontiert werden“, sagt sie. 

„Am schwersten ist bei [der Rückverfolgung der Abstammung] eines jeden Einwanderers ganz einfach der Sprung über den Atlantik – wenn man also von irgendwo in den USA zu einem Ort in Afrika will.“ Der Familienforscher, der diesen Sprung wagt, so ihr Rat, solle sich über die Bräuche in den Dörfern seiner Vorfahren informieren, damit er nicht Gefahr laufe, sich den Unmut der Stammes- oder Dorfältesten zuzuziehen. 

Timothy empfiehlt den Forschern auch dringend, eine „schriftliche Spur“ ihrer Forschungsarbeit zu hinterlassen – mag das Ergebnis positiv oder negativ ausfallen. „Den Mut verliert man da leicht, aber man darf die Hoffnung nie aufgeben. Ich habe schon Erstaunliches erlebt. Wenn man nicht auf Anhieb den richtigen Tipp erhält, darf man den Kopf nicht hängenlassen. Man muss weitermachen“, sagt sie. 

„Man soll nicht einfach annehmen, die eigene Familie sei versklavt worden“, warnt Ison. Er war einmal einer Afroamerikanerin behilflich, alte Volkszählungsunterlagen und einen Trauschein aus dem Jahr 1835 aus Ohio aufzutreiben, einem sklavenfreien Bundesstaat. „So schwierig die Forschung sein kann – man muss sich ernsthaft Mühe geben, weil man nie weiß, worauf man stößt. Es ist schon erstaunlich, wenn man weiß, was unsere Vorfahren alles gemacht haben. Man freut sich dann mehr über die Freiheiten und Annehmlichkeiten der heutigen Zeit.“ 

Auf der Website von FamilySearch kann man kostenlos Fotos und Geschichten hinterlegen. Dort können Angehörige gemeinsam daran arbeiten, die Erinnerungen der Familie in Form von Stammbäumen, Geschichten und Fotos für künftige Generationen zu bewahren und weiterzugeben. 

FamilySearch ist eine gemeinnützige Einrichtung und gilt als die weltweit größte Organisation für genealogische Forschung. Ihr Sitz ist in Salt Lake City in Utah; unterhalten wird sie von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. 

FamilySearch hat vorläufig die Website „Community Trees“ eingerichtet, wo mündlich überlieferte Berichte aus Afrika und anderen Teilen der Welt hinterlegt werden können. 

Außerdem gibt es bei FamilySearch Hilfsmittel im Internet für jeden, der afroamerikanische Vorfahren erforschen will. Zu den Sammlungen gehören Unterlagen aus sämtlichen Volkszählungen in den USA, aus dem Bürgerkrieg und aus dem Freedmen's Bureau, einer Behörde, die von Präsident Abraham Lincoln nach dem Bürgerkrieg eingerichtet wurde, um freigelassenen Sklaven in Not zu helfen und ihnen einen sicheren Ort zu bieten, wo sie ihr Geld lassen konnten. 
Näheres über die Unterlagen des Freedmen's Bureau ist in einem Video im Internet zu sehen. 

Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.